Kapitel 7 - Ruhe vor dem Sturm

 

Nach dem Meeting leert sich der Saal ziemlich schnell. Ich bin einer der letzten, die den Raum verlassen. Als ich die Halle betrete, kann ich meinen Augen kaum trauen!

 

 

Ich sehe Jessicas beste Freundin Ashanti Akuzawa in der Halle stehen. Was zum Teufel tut sie denn hier? Sie ist keine Archäologin, also wird sie schon mal nicht hier arbeiten. Ich mag sie eigentlich ganz gerne, weil sie etwas dusselig ist und einen tollen Sinn für Humor hat. Ich gehe zu ihr.

„Hey Ash!“, rufe ich. Sie schaut genauso erschrocken, wie ich gerade. „Oh Em Gee. Chris???“ kreischt sie. Dann umarmt sie mich.

 

 

„Was machst du denn hier?!“, ruft sie mit einem breiten Grinsen. „Ich arbeite und wohne hier. Aber was machst du hier?“, wiederhole ich ihre Frage. Sie grinst noch breiter. „Ich besuche Jessica. Wir sehen uns nicht mehr so oft, seit sie aus Bridgeport weggezogen ist“, erklärt Ashanti mir. Ich nicke. Dann fährt sie fort: „Aber ich wusste wirklich nicht, dass du jetzt hier wohnst. Ich will ja nicht in der Vergangenheit rumstochern, aber ich wusste immer, dass das Schicksal euch wieder an einen Ort führt. Gib ihr noch eine Chance, starker Mann. Sie weiß, dass sie eine crazy bitch war und es tut ihr sehr leid“, sagt Ashanti. Ich grinse. Ashantis Art sich auszudrücken habe ich schon immer geliebt. Dann schüttele ich den Kopf. „Der Zug ist schon längst abgefahren, Ash“, seufze ich. Sie sieht traurig aus. „Schade. Und das, obwohl sie dich immer noch liebt“, sagt Ashanti. Ich reiße die Augen auf. „W…was?“, stottere ich. Ashanti schaut auf die Uhr. „Auweia! Ich muss Jessica finden. Mein Zug kommt bald!“ Sie umarmt mich nochmal. „Es war echt mega, dich mal wiederzusehen“, grinst sie mich an. Dann läuft sie zu den Treppen und verschwindet im ersten Stock.

 

Ich schlucke.

Alles was ich will, ist ein Leben ohne Drama. Eine normale Frau und normale Arbeitskollegen. Aber oh nein, ich bekomme lauter Verrückte, die mich Tag für Tag daran erinnern, dass mein Leben nicht normal ist und es in naher Zukunft auch nicht sein wird. Was soll das bedeuten, „Obwohl sie dich immer noch liebt.“. Jessica liebt mich bestimmt nicht. Sie will mich am liebsten eine Klippe hinunterstürzen sehen… Und ich… Ich liebe sie auch nicht. Nein. Tu ich nicht. Sie ist eine schreckliche Person und ich will einfach nur meine Ruhe haben. Ja. So ist es.

Ich bin so in meine Gedanken vertieft, dass ich gar nicht merke, dass mich die ganze Zeit eine Frau anspricht. Sie versucht es noch einmal: „Ähm… Sir? Entschuldigung, bitte!“, murmelt sie. Ich wache auf und starre sie an.

 

 

„Was denn?“, frage ich. Sie entschuldigt sich noch einmal. „Ich… dachte, dass Sie vielleicht wissen, wo ich Hrn. Radames finden kann“, murmelt sie. „Ich bin frisch aus dem Studium raus und hoffe, dass ich hier anfangen kann. Ich heiße Kendra“, sagt sie mit einer leisen Stimme. Ich bin noch immer genervt, wegen dem, was Ashanti erzählt hat. Deshalb merke ich leider gar nicht, wie schlecht ich mit Kendra umspringe. „Sehe ich wie ein Infostand aus?“, zicke ich sie an. Dann zeige ich auf die Treppe. „Da hoch und dann die Tür gleich links.“ Sie nickt. „D…danke.“ Dann dreht sie sich um und geht zu den Treppen.

„Ich wusste gar nicht, dass du so böse sein kannst“, höre ich jemanden hinter mir lachen. Ich drehe mich um.

 

 

„Was willst du schon wieder?“, knurre ich. „Ashanti sucht dich. Geh.“ Jessica lacht. „Das passt nicht zu dir. Sei wieder lieb.“ Ich starre sie weiterhin böse an. „Ashanti hast du gesagt?“, bemerkt sie. Ich nicke. „Wo ist sie denn?“, fragt Jessica. Ich zeige zu den Treppen. Dann nickt sie und kichert als sie an mir vorbei geht. „Spar dir das!“, brülle ich ihr hinterher.

 

So wütend wie jetzt gerade, war ich nicht mal in der Nacht, als ich Jessica hier getroffen habe. Ich schließe kurz die Augen und versuche zu entspannen. Aber schon wieder muss irgendjemand meine Ruhe stören. „Chris? Was tust du da?“.

Ich öffne die Augen, bereit, dem Störenfried meine geballte Wut entgegenzuschleudern.

 

 

„ICH…“, fange ich an. Dann sehe ich, dass es Chloe ist. Ich räuspere mich. „Ähm… Nichts. Ich… stehe hier nur so rum.“ Sie hebt eine Augenbraue. „Interessant. Ich wollte nicht stören.“, sagt sie. Ich schüttele den Kopf. „Tust du nie.“ Sie kichert. „Die Ausgrabung in Oasis Springs wird wunderbar!“, meint sie glücklich. Ich nicke. Da hat sie Recht. „Mit wem teilst du die Hütte?“, fragt sie mich. Ich zucke mit den Achseln. „Weiß ich nicht.“

„Aber ich weiß es“, höre ich jemanden rufen. Was ist heute bloß los? Wieso werde ich ständig belauscht? Es ist Carlos. Er stellt sich zu uns und beginnt zu reden.

 

 

„Ich dachte, ich würde mit der Einteilung länger brauchen, aber die Paare für die Hütten fanden sich ziemlich schnell. Tja. Übrig sind Jessica und du“, erklärt er.

 

 

Ich kann nicht sagen, dass es mich überrascht. Schon seit dem Augenblick, als Jessica mich im Sitzungsraum angesehen hat, war es klar, dass ich mit ihr in eine Hütte komme. „Ich nehme an, daran lässt sich nicht schrauben“, sage ich lustlos. Carlos nickt. „So ziemlich. Sowohl Jessica als auch eine andere Person müssten sich freiwillig bereit erklären zu tauschen“, meint er. Ich verdrehe die Augen. Das wird nicht passieren. Also beginne ich schon jetzt, mich mit meinem Schicksal anzufreunden. In diesem Augenblick fällt mir etwas anderes ein. „Carlos. Hier war vorhin so ein Mädchen, das dich sehen wollte. Ich hab‘ sie zu deinem Büro hochgeschickt“, erwähne ich. Carlos sieht aus, als hätte er sich an etwas Wichtiges erinnert. „Ohhh….! Danke! Das hab ich total vergessen!“, lacht er. „Bis später ihr zwei!“ Dann läuft er die Treppen hoch.

Chloe grinst. „Nimm’s nicht so schwer. Die Sache mit Jessica meine ich. Sie wird dich ja nicht umbringen, oder?“, lacht sie.

 

Ich schlucke.