Kapitel 5 - Gespräch mit dem Bösen

 

Ich kann einfach nicht glauben, was Chloe von mir denkt. Jessica weiß ganz genau, dass ich es hasse, wenn Leute etwas absolut falsches von mir denken. Also so RICHTIG falsch. Wenn jemand mich nicht mag, dann interessiert mich das nicht, aber wenn er kranke Lügen über mich verbreitet, dann ist das etwas anderes. „Chloe hast du den Verstand verloren?“, frage ich ungläubig. Sie runzelt die Stirn. „Jessica ist meine beste Freundin. Als sie mir erzählt hat, dass du ihr Ex-Mann bist, war ich total verblüfft. Sie hat mir noch nie viel von ihrer Ehe erzählt. Bis heute Morgen. Sie kam aufgelöst zu mir und hat geweint, weil du jetzt wieder da bist und ihr wieder auflauerst. Sie hat Angst, dass du sie wieder schlägst. Aber lass dir eins sagen: Wenn du sie nur anschaust, mach‘ ich dich platt“, sagt Chloe mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen. Ich reiße den Mund auf. Jessica ist eine besonders hinterlistige Schlange. Ich kenne sie seit über 13 Jahren, 5 davon verheiratet. Ich weiß ganz genau, wozu sie in der Lage ist. Ich schüttele wild den Kopf. „Chloe, du darfst ihr nicht glauben!“, flehe ich sie an. „SIE hat MICH betrogen und ich habe ihr niemals ein Haar gekrümmt. Sie ist ein wahnsinniges Biest“, erkläre ich ihr. „Hat sie dir das auch erzählt, hä? Dass sie es hinter meinem Rücken mit meinem besten Freund getan hat?“, wiederhole ich und starre Chloe mit einem eindringlichen Blick an. „Ja. Das Detail hat sie ausgelassen, was?!“, rede ich weiter. Chloe wechselt ihren Gesichtsausdruck sekündlich. Von wütend über verblüfft zu ungläubig. Dann schaut sie mir in die Augen und es herrscht kurz Stille. „Okay… Ich glaube dir. Du siehst wirklich nicht wie eine gewalttätige Person aus.“

 

 

„Aber warum sollte Jessica mir so etwas erzählen? Wir sind doch Freundinnen“, sagt Chloe verblüfft. „Ich sagte doch, dass sie eine Verrückte ist“, erkläre ich. Chloe schweigt einen Moment. Dann spricht sie weiter: „Na gut. Ich muss jetzt wieder arbeiten. Du solltest Jessica auf jeden Fall aufhalten. Carlos ist da gnadenlos. Zur Not schmeißt er euch beide wieder raus“, warnt Chloe mich. Ich nicke. „Okay. Ich werde Jessica stoppen“, versichere ich ihr. Sie hebt ihre Mundwinkel leicht an. Dann geht sie die Treppen hoch. Da habe ich mir wirklich viel vorgenommen. Jessica tut immer das, was sie sagt. Wenn sie sagt, dass sie mich vernichten will, dann wird sie das auch tun. Oder zumindest ALLES versuchen… Ich seufze und gehe die Treppen hoch. Da läuft mir natürlich das Böse in Person über den Weg.

 

 

Im Vorbeigehen sagen wir uns auf unsere Weise hallo:

„Du bist schon da? Ich hab‘ deinen Besen gar nicht auf dem Parkplatz gesehen“, rufe ich.

„Den hab‘ ich zu deinen Eltern in den Müll geschmissen“, schmunzelt sie.

 

Als ich mein Büro betrete geht es mir wunderbar. Dieses Zimmer hat irgendwie eine positive Aura, die noch nicht von Jessica kontaminiert wurde. Von dieser Aura gestärkt mache ich mich an die Arbeit. Heute habe ich besonders viel zu tun, sodass mir gar keine Zeit bleibt, um mir Abwehrpläne gegen Jessica auszudenken.

 

 

Nach einigen Stunden will ich Mittagspause machen und gehe runter in die Halle. Dort sehe ich neben vielen anderen Menschen auch Rick und Heather miteinander reden.

 

 

Ich gehe zu ihnen und ihre Mienen verfinstern sich mit einem Mal. Ich runzele die Stirn.

 

 

„Was auch immer Jessica euch wieder erzählt hat, es stimmt nicht“, sage ich. „Dass du sie verlassen hast, obwohl ihr ein damals kleines Kind hattet, hat sie sich bestimmt nicht ausgedacht“, murmelt Heather mit einer Abscheu in der Stimme. Ich rolle mit den Augen. „Ja das ist wirklich die Wahrheit, aber sie hat mich mit meinem besten Freund betrogen und ich habe es langsam satt, dass ich das jedem hier erzählen muss. Mein Privatleben geht niemanden etwas an, es sei denn ich erzähle es freiwillig weiter. Wo ist Jessicas Büro? Ich mache diesem Spuk jetzt ein Ende“, knurre ich mit einer rapide fallenden Laune. „Ich muss arbeiten…“, sagt Rick und verzieht sich. Mir klappt der Mund auf. Wieso ist hier jeder auf Jessicas Seite? Was erzählt sie diesen Leuten bloß? Diese Frau ist wahnsinnig. „Heather. Wo ist ihr Büro?“, frage ich wieder. Heather schüttelt langsam mit dem Kopf, aber beantwortet mir meine Frage dennoch: „Auf deiner Etage gibt es vier Büros. Deins, das von Carlos, Chloes und Jessicas“, sagt sie. „Aber tu mir einen Gefallen und tu ihr nicht noch mehr weh. Das hat sie nicht verdient“, meint Heather noch und geht die Treppen hoch. Das kann doch nicht wahr sein. Jessica wird hier wie eine Heldin gefeiert, während jeder auf mir rumtritt. Ich stampfe die Treppen hoch, bis ich vor Jessicas Tür stehe.

 

 

Ich bin zwar wütend, aber ich werde sie sachlich ansprechen. Zumindest lautet so der Plan. Ich weiß jetzt schon, dass sie mich irgendwie wieder provozieren wird. Als ich ankomme, öffne ich die Tür und gehe rein.

 

 

„Komm doch rein, Chris“, meint sie mit einem falschen Grinsen. „Schon passiert“, entgegne ich. „Ich will, dass du aufhörst hier irgendwelche Geschichten über mich zu verbreiten. Klar?!“, knurre ich sie an. Sie steht auf und kommt zu mir.

 

 

Sie fängt an, meine Wange zu streicheln. „Niemals. Erst wenn du am Boden liegst und dich jeder hasst, werde ich aufhören. Es wird nicht schwer sein, deine Armee von Schwachköpfen zu erobern. Um genau zu sein, sind sie ja jetzt schon alle auf meiner Seite“, flüstert Jessica mit einem gefährlichen Unterton. Ich stoße ihre Hand weg. „Fass mich nicht an. Du liegst falsch, wenn du glaubst, dass du die anderen gegen mich aufbringen kannst“, berichtige ich ihre falschen Vorstellungen. Sie genießt das richtig. Ich sehe es in ihrem Gesicht und in ihren Augen. Es macht ihr Spaß, mir Probleme zu bereiten. „So so?“, trällert sie. „Das sehen wir ja schon sehr bald“, fährt sie fort.

 

 

Leider fällt mir nichts mehr ein, dass ich sagen könnte. Stattdessen stehen wir nur da und starren uns an. Jessica wendet ihren Blick nicht eine Sekunde ab. Das wundert mich. Wenn sie nicht gerade wüste Drohungen ausspricht, schaut sie Leute, die sie nicht mag, niemals an. Sie hebt eine Augenbraue. „Ich finde es schlimm, dass du dich überhaupt nicht verändert hast. Du machst immer noch diesen komischen, angestrengten Gesichtsausdruck, wenn du mal wieder in Gedanken mit dir selbst sprichst“, sagt Jessica grinsend. Ach so, jetzt will sie auch schon meinen Kopf kontrollieren? „Na, was denkst du?“, fragt sie mich. „Wie weit du wegziehen willst, damit du mich los bist?“. Ich schweige immer noch und schüttele nur den Kopf. „Nein… Ich frage mich, wann du dich von der Frau, die ich vergöttert habe, in das Biest, das du jetzt bist, verwandelt hast“, sage ich und es schmerzt mir im Herzen. Dann drehe ich mich um und verlasse ihr Büro.

 

 

Während ich in mein Büro gehe, bin ich mit meinen Gedanken weit weg…