Kapitel 14 - Verworrenheit

Nachdem Rick sich meinen Finger angesehen hat und mir etwas zum Kühlen gegeben hat, gehe ich langsam wieder zurück zu Derek. Er hantiert bereits am Fossil herum und ich stelle mich daneben und schaue zu. „Geht’s wieder?“, fragt er. Ich nicke: „Ja. Fühlt sich schon besser an.“ Er lächelt und konzentriert sich dann wieder auf das Fossil. Ich schweige für einen Moment. Das fällt mir sehr schwer angesichts dessen, was ich gerade erfahren habe. Nach einigen Minuten öffne ich den Mund: „Also… das mit Rick und dir…“, beginne ich. Derek hört auf zu hämmern und schaut hoch. „…wie lange ist das her?“, frage ich. „Wir haben vor eineinhalb Jahren Schluss gemacht“, erklärt er mir. Ich schweige. Sind Rick und Jeff nicht schon zwei Jahre zusammen? Ich beiße mir auf die Lippen und sage lieber nichts dazu. Wer weiß, was ich da sonst ins Rollen bringe. Vielleicht sollten manche Dinge einfach ruhen. Ich nicke ihm zu: „Aber du bist nicht so ganz drüber hinweg, was?“, murmele ich. Er lächelt: „Wie schön, dass du das gemerkt hast“ Dann macht er sich wieder an die Arbeit. „Es liegt einfach an meiner Person. Ich kann mich nicht verabschieden und Trennungen belasten mich ein Leben lang. Was meinst du, wie traurig ich jetzt noch bin, dass ich meine Klassenkameraden nicht mehr so oft sehen kann, weil wir unseren Abschluss gemacht haben“, erklärt er mit einem nervösen Lachen. Ich sehe betrübt zu Boden und lausche seinen Worten weiterhin. Er schlägt mit dem Hammer kräftig auf das Gestein.

„Irgendwann lässt man halt einfach keinen mehr an sich heran, weil du sonst noch eine Enttäuschung mehr mit dir herumtragen musst, nachdem du wieder mal im Stich gelassen wurdest“, erklärt er mit einer traurigen Monotonie in der Stimme. Ich sehe ihn an, doch er blickt nicht herauf zu mir. „Kopf hoch, Derek. Gibt doch genug Menschen da draußen, die zu dir passen würden. Von denen du dich auch nicht verabschieden musst“, erkläre ich. Er lacht: „Finde so jemanden aber erstmal.“ Da hat er wohl Recht. Es wird sich aber auch für ihn sicherlich mal etwas ergeben. Da bin ich mir sicher…



Gott. Ich hasse diese Frau. Was kann die überhaupt, außer meinem Kerl schöne Augen zu machen? Die macht das Fossil noch kaputt. Blond. Na gut ich bin auch blond, aber der intellektuelle Unterschied ist ja offensichtlich.

Und dann läuft diese Ekelhafte auch noch ohne Schuhe rum. Wäh man.

„Wie geht es dir heute, Jessica?“, fragt Emilia mich. Wie soll es mir schon gehen, wenn ich mit einer Person wie dir arbeiten muss. Am liebsten würde ich mich gerade von einer Klippe stürzen, das klingt weniger schmerzvoll als das hier. „Ganz gut, und dir?“, antworte ich relativ emotionslos. Sie schaut hoch. Ich denke es wäre besser, sie würde wieder gucken, was sie da macht. Ihre Fähigkeiten sind ja schon minderwertig wenn sie hinguckt, da will ich nicht wissen was passiert, wenn sie ihren Blick abwendet. „Auch ganz gut. Erzähl‘ mal etwas von Chris und dir, ihr seid wirklich süß zusammen“, sagt sie lächelnd und schaut wieder auf das Fossil. Ich schnaube innerlich. Wie sie andauernd über meinen Mann sprechen will, gefällt mir einfach nicht. „Was willst du denn wissen?“, frage ich sie. Sie guckt kurz zu mir: „Vor allem, ob er einen Bruder hat, haha!“, lacht sie. Ich gebe ihr ein falsches Lächeln. Der würde dich nicht mal mit Handschuhen anfassen, meine Gute. „Ja hat er. Er wohnt allerdings noch in Bridgeport, wo auch ich und Chris herkommen“, erkläre ich der Amateurarchäologin. Hat die überhaupt studiert? Keine Sorge, ich werde dich schon noch googeln. Sie hört schon wieder auf zu arbeiten und schaut zu mir. Willst du überhaupt bezahlt werden für deine „Arbeit“ oder warum hörst du ständig auf? „Wirklich? Ihr seid auch aus Bridgeport?!“, ruft sie. Ich runzele die Stirn. „Ja. Du etwa auch?“, frage ich zögerlich. Sie nickt mit einem breiten Grinsen. Ich unterdrücke den Würgereiz den ich gerade verspüre. „Das kam ja… unerwartet“, lächle ich. „Ja! Aber Bridgeport ist ja nicht gerade klein. Da muss man sich ja nicht unbedingt über den Weg laufen“, erklärt sie. Dafür kann man Gott wohl nur danken. Jetzt arbeite mal bitte weiter. „Ja, richtig“, sage ich und gebe ihr Bestätigung. Sie wendet sich wieder der Arbeit zu und ich nutze die Gelegenheit um die Augen zu verdrehen. Das wird noch ein langer Tag. Wehe, ich muss morgen wieder mit der zusammenarbeiten. „Aber sag mal, Emilia“, beginne ich „Bist du wirklich nicht mit dem Kleinkind…, äh ich meine Derek, zusammen?“, frage ich. Sie hört natürlich wieder auf zu arbeiten und sieht mich wieder an. „Nein, wirklich nicht. Er sieht aber zum Anbeißen aus, oder? Eine Chance hätte ich schon, glaube ich. Also er ist bi, aber das tut der Sache ja keinen Abbruch“, kichert sie.

Dein Aussehen tut der Sache einen Abbruch, aber egal. Ich nicke. „Ja. Schmeiß dich doch mal an ihn ran. Er ist… ganz süß“, sage ich wider Willen. An ihm ist gar nichts süß und er redet als hätte er gerade die Grundschule abgeschlossen. Was soll’s. Infantilität und mangelndes Fachwissen scheinen bei denen ja allgegenwärtig zu sein. „Entschuldige bitte, ich muss kurz auf die Toilette“, sagt Emilia und überreicht mir den Hammer. „Alles klar. Ich mache solange weiter“, grinse ich.

 

 

Dann kann die Arbeit ja jetzt endlich mal losgehen.